Positionspapier 2015

Unsere Positionen 2015

  1. Geflüchtete Kinder sind in erster Linie Kinder. Wie alle Kinder haben sie das Recht, in ihrer Entwicklung gestärkt zu werden. Dies gilt in besonderer Weise für Kinder, die jünger als sechs Jahre sind und deren Zugang zu frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung bisher erheblich erschwert ist.
  2. Über die Lebensverhältnisse und -erfahrungen von jungen Kindern geflüchteter Familien haben wir zu wenig gesichertes Wissen. Wir wissen zudem nicht, wie sie ihre Erfahrungen verarbeiten. Stattdessen existieren viele Vorurteile, Stereotype und medial vermittelte Bilder. Diesen wollen wir differenzierend und aufklärend entgegen wirken.
  3. Junge Kinder mit Fluchtgeschichte haben die gleichen Grundbedürfnisse wie all ihre Altersgefährt_innen und sind ebenso individuell verschieden wie sie.
  4. Junge Kinder brauchen Normalität im Zusammensein mit anderen Menschen an einem sicheren, anregenden Lebens- und Lernort. Sie brauchen Erwachsene, die ihnen freundlich und feinfühlig begegnen, ihre Kompetenzen erkennen und würdigen, sie vor Ausgrenzung und Abwertung schützen und dafür sorgen, dass sie ihre Potenziale entfalten können.
  5. Wer Kinder stärken will, muss ihre Familien stärken: Geflüchtete Familien brauchen Schutz, Anerkennung und konkrete Möglichkeiten, um selbstbestimmt an der Gesellschaft teilzuhaben. Abwehr und Diskriminierung verletzen die Würde von Eltern und beeinträchtigen ihre Sicherheit und Handlungsfähigkeit gegenüber ihren Kindern.

Unsere Forderungen 

  1. Bürokratische Hürden, die das Recht der Kinder geflüchteter Familien auf Entwicklung und Bildung negieren und ihren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz einschränken, müssen abgeschafft werden. Wir fordern, dass jede Kita dabei unterstützt wird, geflüchtete Kinder aufzunehmen. Für die Betreuung von Kindern und ihren Familien mit Fluchterfahrung müssen die Kitas bedarfsgerecht mit Personal und anderen Ressourcen ausgestattet werden.
  2. Jenseits des zivilgesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Engagements vieler Berliner_innen sehen wir es als öffentliche Aufgabe, jungen Kindern mit Fluchterfahrungen sichere Lebens- und Lernorte zu verschaffen. Der Zuzug geflüchteter Familien muss in der Jugendhilfeplanung, Wohnungs- und Bauplanung, u. ä. berücksichtigt werden. Die Bezirke müssen bei diesen Aufgaben von Land und Bund umfassend unterstützt werden.
  3. Die frühkindliche Forschung muss Wissen über die Belastungen, Stärken und Ressourcen von Kindern geflüchteter Familien generieren. Dieses Wissen bildet die Grundlage für die Erarbeitung von Fortbildungs- und Beratungskonzepten, die Kita-Teams unterstützen, mit geflüchteten Kindern und deren Eltern zu arbeiten.
  4. Von der Erstaufnahmeeinrichtung an muss es in allen Sammelunterkünften anregende Lebens- und Lernbereiche und qualifizierte Fachkräfte geben, die es den jungen Kindern ermöglichen, sich ihre neue Umwelt nach und nach angstfrei und behütet zu erschließen. Gleichzeitig muss die Aufenthaltsdauer der Kinder in den Sammelunterkünften verkürzt werden. Geflüchtete Familien mit Kindern sollen schnellstmöglich und vorrangig in eigene Wohnungen ziehen können.
  5. Die interkulturelle Kompetenzerweiterung von Mitarbeiter_innen in Sammelunterkünften und Ämtern wie auch in Kitas, Familienzentren u. ä. Einrichtungen muss unterstützt werden.
  6. Für die Verständigung mit den Eltern und Kindern müssen Sprachmittler_innen zur Verfügung stehen, die unbürokratisch und bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Dafür müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden.
  7. Der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern mit Behinderungen muss in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Ihnen ist schneller und umfassender Zugang zu medizinischer und sozialpädiatrischer Behandlung und Beratung zu ermöglichen. Dem Krankheitsbild entsprechend sind ihnen medizinische Hilfsmittel zu gewähren, die eine Verschlechterung ihres Zustandes verhindern, ihre Entwicklungsmöglichkeiten verbessern und die Familien entlasten.
  8. Um ihre Aufgaben im oben genannten Sinne verantwortungsvoll zu erfüllen, müssen Betreiber von Sammelunterkünften, Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und Jugendhilfe auf der Basis verbindlicher Standards kooperieren. Ziel ist die bestmögliche Entwicklung der Kinder und die gesellschaftliche Beteiligung ihrer Familien. Diese Standards sind in den Verträgen festzuschreiben und ihre Einhaltung ist in regelmäßigen Abständen von unabhängiger Seite zu überprüfen.

Berlin, 10.7.2015

Das Positionspapier wurde erarbeitet und unterzeichnet von Menschen aus der frühpädagogischen Praxis und Theorie, aus Verwaltung, Beratung, Therapie, Fort- und Weiterbildung.